Kapitel 2: Die Entstehung von Gojoseon und den anderen Stammesstaaten (2333 – 57 v.Chr.)
2.1. Die Dangun-Mythologie und Gojoseon
Laut Aufzeichnungen des Samguk Yusa („Memorabilien der Drei Königreiche“) von dem buddhistischen Mönch Il-yeon und dem Jewang Ungi („Gedichtsammlung von Kaisern und Königen“) von Yi Seung-hyu aus dem 13. Jhd. war Gojoseon (oder auch Dangun-Joseon) das erste koreanische Königreich. Doch aufgrund mangelnder archäologischer Beweise bzw. der Tatsache, dass der Inhalt der obengenannten Werke auf Mythologien basiert, diskutieren Wissenschaftler über die Wahrhaftigkeit dieser Ansicht.
Der Inhalt der Dangun-Mythologie, welche die Entstehung des ersten koreanischen Königreichs schildert, lautet wie folgt: Seit alters her lebte der höchste Gott Hwanin im Himmel. Als sein Sohn Prinz Hwanung darum bat, ihn auf die Menschenwelt zu schicken, ließ Hwanin diesen zusammen mit 3000 Dienern auf den heiligen Baum Sindansu am Berg Taebaeksan herabsteigen, um dort die „Stadt Gottes“ (sinsi) zu gründen. Eines Tages erschienen vor Prinz Hwanung ein Tiger und ein Bär, die beide Menschen werden wollten. Hwanung erklärte ihnen, dass sie 100 Tage lang in einer dunklen Höhle verbringen sollten und sich dabei ausschließlich von Knoblauch und Kräutern ernähren dürften. Der ungeduldige Tiger bestand den Test nicht und lief aus der Höhle, doch der Bär stand die Zeit durch und wurde zu einer schönen Frau namens Ungnyeo. Ungnyeo und Hwanung heirateten und brachten einen Sohn auf die Welt. Sie nannten ihn Dangun Wanggeom. Dieser gründete in der Festung Pyeongyang im Jahr 2333 v.Chr. das Königreich Joseon (oder auch Gojoseon, „Alt-Joseon“) und beherrschte es für 1500 Jahre.
2.2. Die Entstehung verschiedener Stammesstaaten
Die Einführung von Bronzewerkzeugen seit ca. dem 11. Jhd. v.Chr. beschleunigte die Entwicklung von sogenannten Stammesstaaten mit einem ausgeprägten politischen System. Der Zufluss der Eisenkultur aus China um 500 v.Chr. brachte weitere Fortschritte. Ältere chinesische Aufzeichnungen halten fest, dass zwischen dem 4. und 2. Jhd. v.Chr. quer durch die Mandschurei und auf der koreanischen Halbinsel zahlreiche Stammesstaaten existierten. Dies waren Buyeo im Flussgebiet Sungari in der nördlichen Mandschurei, Ye und Maek im Flussgebiet Apnokgang, Gojoseon im nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel, Imdun an der Ostküste, Jinbeon in der heutigen Provinz Hwanghae-do im Norden und Jinguk südlich des Flusses Hangang. Von allen früheren Stammesstaaten war Gojoseon im 4. Jhd. v.Chr. im Norden der koreanischen Halbinsel an den Flüssen Liao und Daedonggang der mächtigste Staat. Dies war vor allem den Einfluss der chinesischen Wissenschaft und Technologie zu verdanken. Der Aristokrat Gija von der Shang Dynastie soll laut historischen Quellen der einflussreichste Chinese in Gojoseon gewesen sein, so dass von einer Periode namens Gija-Gojoseon gesprochen wird. Gija und seine Nachkommen sollen das Königreich bis zu dem Eingriff durch Wiman um 200 v.Chr. regiert haben, doch unter Historikern gibt es bis heute unterschiedliche Ansichten über diesen Standpunkt.
2.3. Wiman-Joseon (194 – 108 v.Chr.)
Mit der Stärkung Gojoseons seit dem Beginn der Eisenzeit etwa 400 v.Chr. versuchte das Reich, ihr eigenes Territorialgebiet immer weiter auszudehnen. Es kam wiederholt zu Kämpfen mit dem Yan-Staat, eines der sieben mächtigsten Reiche Chinas zu der Zeit. Infolge dieser ständigen Auseinandersetzungen verlor Gojoseon jedoch seit Ende des 4. Jhd. v.Chr. Anspruch auf mehrere Gebiete wie z.B. der Halbinsel Liaodong. Innerhalb Chinas kam es zu dem Zeitpunkt ebenfalls zu heftigen Kriegen zwischen den verschiedenen Staaten. In dieser turbulenten Zeit zogen mehrere chinesische Flüchtlinge Richtung Osten. Einer ihrer Führer namens Wiman kam mit tausenden Gefolgsleuten 194 v.Chr. nach Gojoseon und vertrieb König Jun vom Thron, um die Herrschaft zu übernehmen. Auch wenn Wiman-Joseon unter erheblichen Einfluss Chinas gegründet wurde, bevorzugte Wiman jedoch die Aufrechterhaltung des Reiches Gojoseon. Er stellte neben seinen eigenen Leuten für höhere Regierungsposten auch mehrere Einheimische ein. Die Kleidung und der Haarschnitt waren ebenfalls im Stil von Gojoseon erhalten, was vermutlich auch damit verbunden war, dass trotz chinesischer Immigrationshintergründe Wiman selbst auch dem Dongi-Stamm angehörte. Anfangs etablierte sich Wiman-Joseon durch militärische und wirtschaftliche Stärke, so dass sie die Reiche Jinbeon und Imdun erobern konnten. Wiman-Joseon agierte als Handelsvermittler zwischen dem chinesischen Han-Reich und den anderen nordöstlichen Territorien, doch schließlich griff Han-China Wiman-Joseon an, da es sich von der Machtzunahme Wiman-Joseons bedroht fühlte. Der Widerstand gegen den chinesischen Angriff hielt nicht lange und 108 v.Chr. zerbrach Wiman-Joseon schließlich. Dies war gleichzeitig das Ende Gojoseons, welches ca. von 2300 bis 108 v.Chr. existierte
2.4. Der Untergang Gojoseons und die vier chinesischen Kolonialgebiete
Nach dem Untergang von Wiman-Joseon errichtete Han-China im eroberten Gebiet vier chinesische Präfekturen: Nangnang (chin. Lolang) im heutigen Pyeongyang, Jinbeon in der heutigen Provinz Hwanghae-do, Hyeondo im Gebiet des Mittellaufes des Apnokgang und Imdun in der heutigen Provinz Hamgyeongnam-do. Diese vier Kolonialgebiete beschränkten sich allerdings auf das Gebiet nördlich des Flusses Hangang. Während Jinbeon, Hyeondo und Imdun relativ bald durch Widerstände der Einheimischen bis in die Mandschurei zurückgedrängt und anschließend aufgelöst wurden, entwickelte sich Nangnang aufgrund der günstigen geographischen Lage zum Zentrum der chinesischen Kolonialpolitik im Osten. Es existierte schließlich über 400 Jahre lang, bis es letzten Endes durch Goguryeo 313 n.Chr. zerstört wurde. Die chinesische Kolonialpolitik war politisch betrachtet relativ friedlich, da die einheimischen Koreaner nicht unterdrückt wurden. In wirtschaftlicher Hinsicht jedoch sorgten die Chinesen dafür, dass vor allem Eisen und Salz aus koreanischen Gebieten in ihre Hände gelangen. Allmählich drang darüber hinaus das chinesische Gesellschaftssystem in die Kolonialgebiete ein, so dass sich ein an China orientiertes Herrschaftsgebiet formte.
2.5. Der Aufstieg neuer Stammesstaaten (1): Buyeo
Buyeo entstand etwa 400 v.Chr. im Oberlaufgebiet des Flusses Sungari in der Mandschurei und war somit nach Gojoseon das zweitälteste koreanische Reich. Es existierte um die 1000 Jahre bevor es 494 n.Chr. durch Goguryeo vollständig aufgenommen wurde und verschwand. Buyeo hatte freundschaftliche Beziehungen zu den chinesischen Königreichen Han, Wei und Jin, da diese gemeinsam ein Ziel verfolgten, nämlich die Beschränkung der Expansion der Hsienpei im Norden und Goguryeo im Süden. Buyeo agierte als Pufferstaat, um die Ausdehnung dieser zwei mächtigen Völker an den chinesischen Außengrenzen zu verhindern und bekam im Gegenzug chinesische Kampfunterstützung. Durch die Machtzunahme der Hsienpei und deren wiederholten Angriffen jedoch wurde Buyeo im 3. Jhd. n.Chr. immer weiter abgeschwächt und geriet letztendlich unter Goguryeos Schutz, bis dieser ihn 494 n.Chr. endgültig einnahm. Buyeo bestand wie Gojoseon anfangs aus vielen verschiedenen Stammesstaaten, die sich schrittweise verbündeten. Der Volksstamm, der das Reich begründete, war das Yemaek-Volk, welches anschließend auch Goguryeo und Baekje errichtete. Buyeo wurde durch einen Erbmonarch regiert, doch die Zentralregierung lief über hohe Beamten, die den Titel saja oder ga trugen. Die Gesellschaftsstruktur war durch ein Vierklassensystem gekennzeichnet. Die führende aristokratische Schicht waren die ga, die darunter war die herrschende Schicht namens homin, die Bürgerschicht darunter waren die min und haho und ganz unten standen die Sklaven, nobi genannt. In Buyeo gediehen Landwirtschaft und Viehzucht. Vor allem die Tiere hatten einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, was dadurch erkennbar ist, dass die hohen Beamtentitel nach Tieren benannt wurden. Wie in Gojoseon existierten vier Moralkodexe, die die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens und das Privateigentum sicherten. U.a. durfte man keine Morde oder Diebstähle begehen, sich nicht scheiden lassen und Frauen war vorenthalten, eifersüchtig gegenüber dem Ehemann zu sein. Die letzteren Punkte deuten auf die patriarchalische Gesellschaftsstruktur hin.
2.6. Der Aufstieg neuer Stammesstaaten (2): Okjeo und Dongye
Während Buyeo das mandschurische Gebiet beherrschte, entwickelten sich zwei weitere Zweige des Buyeo-Volkes: Okjeo in der heutigen Provinz Hamgyeong-do im Norden und Dongye im Süden der heutigen Provinz Gangweon-do. Aufgrund ihrer isolierten geographischen Lage in den Bergen konnten sich beide Stämme im Vergleich zu Buyeo nicht weiterentwickeln, so dass sie schließlich bis zur Einverleibung durch Gojoseon kein eigenes Königreich bilden konnten. Okjeo wurde unmittelbar nach Untergang von Gojoseon von der chinesischen Präfektur Imdun und danach von Nangnang regiert. Zwischen 100 und 200 n.Chr. wurde Okjeo schließlich von Goguryeo bezwungen und verschwand endgültig. Dongye konnte dank des fruchtbaren Landes und der ausreichenden Meeresprodukte selbstversorgend bestehen. Trotzdem war der Stamm nie in der Lage, ein vereintes Königreich zu etablieren. Genauso wie Okjeo wurde es von Gojoseon und den chinesischen Präfekturen regiert, bis es in die Hände Goguryeos fiel.
2.7. Der Aufstieg neuer Stammesstaaten (3): Goguryeo
Laut dem Samguk Sagi („Chronik der Drei Königreiche“) wurde Goguryeo 37 v.Chr. von einem aus Buyeo stammenden Mann namens Jumong am Mittellauf des Flusses Apnokgang bzw. im Tungchia-Becken gegründet. Allerdings taucht die Bezeichnung „Goguryeo“ bereits im 2. Jhd. v.Chr. in chinesischen Annalen auf. Denen zufolge war Goguryeo ein Bezirk in der chinesischen Präfektur Hyeondo, die nach Fall Gojoseons eingerichtet wurde. Goguryeo ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern „go“ („groß“) und „guryeo“ („Mauerstadt“) und bedeutet soviel wie eine „große, mächtige Mauerstadt“. Der Staat bildete sich durch die Verschmelzung des alteingesessenen Ye-Volkes und dem Maek-Volk, welches aus dem nördlichen Buyeo in den Süden migrierte. Die erste Hauptstadt Goguryeos wurde in der Jolbon Region, dem heutigen Huanren in der Provinz Liaoning im Nordosten Chinas gegründet. Im 1. Jhd. n.Chr. wurde die Hauptstadt etwas südlich in die Festungsstadt Gungnaeseong im heutigen Ji̕ an in der chinesischen Provinz Jilin verlegt. Da sich Goguryeo in einer Gebirgsregion befand, konnte es nicht auf Selbstversorgung durch Viehzucht und Landwirtschaft zurückgreifen. Daher konzentrierte man sich auf die militärische Stärkung des Reiches, um siegreiche Kämpfe gegen andere Staaten führen zu können. Dies war der Grund für die stets kriegerische Einstellung Goguryeos, wodurch die mangelnde Produktionskraft durch Kriegsbeute anderer Staaten ergänzt wurde. Bereits zu Beginn des 1. Jhd. n.Chr. führte Goguryeo einen großen Kampf gegen die Xin-Dynastie unter König Wang Mang. Doch es war erst unter der Regentschaft von König Taejo (53–146) gegen Ende des 1. Jhd. n.Chr., dass die massive Expansion Goguryeos stattfand. Zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich das Herrschaftsgebiet bis zu den Gebieten am Fluss Liao im Südwesten und am Fluss Daedonggang im Süden, am Fluss Sungari im Nordwesten und auch bis zu den Flachländern an der Ostküste der koreanischen Halbinsel. Im Laufe dieser Expansion wurden über zehn Mauerstadtstaaten, darunter Okjeo, Dongye, Nangnang, Haengin, Xianbei und Yangmaek mit Goguryeo vereinigt. Da die meisten Gebiete entweder direkt von China beherrscht waren oder zumindest unter starken chinesischen Einfluss standen, führte diese aggressive Expansionspolitik Goguryeos zu einem angespannten Verhältnis gegenüber China.
2.8. Der Aufstieg neuer Stammesstaaten (4): Jinguk
Während die Völker Ye und Maek basierend auf der Bronze- und Eisenkultur nördlich des Flusses Hangang mächtige verbündete Stammesstaaten wie Gojoseon, Buyeo und Goguryeo formten, kam es auch im Süden durch das Volk Han zur Bildung eigener politischen Zusammenschlüsse. Wie das Yemaek-Volk stammte das Han-Volk auch vom Dongi-Stamm aus dem nordöstlichen China. Sie glichen sich daher in Sprache und Kultur. Basierend auf archäologischen Funden wie Bronzedolchen und Dolmengräbern vermutet man, dass auch südlich des Flusses Hangang bereits im 8. Jhd. v.Chr. bereits mehrere kleinere Staaten existierten, größtenteils in der Nähe der westlichen und südlichen Flussbecken des Hangang, Geumgang, Seomjingang und Yeongsangang. Diese Gegend galt sowohl aufgrund der günstigen Transportwege von und nach China, als auch des fruchtbaren Bodens bzw. der reichlichen einheimischen Produkte als erste Wahl für die politischen Flüchtlinge aus Gojoseon. Das erste vereinigte Reich im Süden der koreanischen Halbinsel war das Königreich Jin (Jinguk), gegründet um 400 v.Chr. Ihr Herrschaftsgebiet umfasste etwa die heutigen Provinzen Gyeonggi-do und Chungcheong-do und die Westküste der Provinz Jeolla-do. Die wirtschaftliche Entwicklung Jins basierte auf dem Direkthandel mit der chinesischen Han-Dynastie. Doch mit der Gründung von Wiman-Joseon im Jahr 194 v.Chr. wurde Jin dieses Privileg entnommen, da der Handel mit China nun ausschließlich über Wiman-Joseon erfolgte. Unmittelbar nach dem Einfall Wimans in Gojoseon wanderte eine enorme Zahl an Flüchtlingen einschließlich Herrscher Jun, der letzte König Gojoseons, nach Jin. Genauso kamen nach der Zerstörung Wiman-Joseons durch Han-China zahlreiche Mitglieder der Oberschicht Wiman-Joseons in den Süden. Die Aufnahme der Massenmigranten brachte vor allem durch die fortgeschrittene Eisenkultur moderne Wissenschaft und Technologie nach Jin und trug für die rasche Entwicklung der südlichen Region bei. Dies führte schließlich im 1. Jhd. v.Chr. zu einer Neuordnung in Jin und die Drei Han-Stammesstaaten Mahan, Byeonhan und Jinhan entstanden.
2.9. Der Aufstieg neuer Stammesstaaten (5): Die Drei Han-Stammesstaaten (Samhan)
Durch ein Bündnis der Einwanderer aus dem Norden mit den Einheimischen im ehemaligen Gebiet von Jin formten sich die Drei Han-Stammesstaaten Mahan, Byeonhan und Jinhan. Der letzte Herrscher von Gojoseon, König Jun wurde nach seiner Flucht in den Süden zum König Mahans. Mahans Herrschaftsgebiet umfasste die heutigen Städte Cheonan, Iksan und Naju. Die Region um Gimhae und Masan entlang der Küste der Provinz Gyeongsangnam-do wurde von Byeonhan regiert. Die gutentwickelten Seewege waren leicht befahrbar für ausländische Händler. Außerdem produzierte man in der Gegend hochwertigen Eisen, wovon ein Teil auch nach Japan und Nangnang exportiert wurde. Durch den Handel entwickelte sich Byeonhan zu einem eigenständigen Maritim-Staat. Das dritte Reich Jinhan wurde durch die ehemalige Oberschicht von Wiman-Joseon in der Umgebung des Flusses Nakdonggang und der Stadt Gyeongju in der Provinz Gyeongsangbuk-do errichtet. Von den Drei Han-Staaten wurde Mahan am frühesten gegründet und es besaß auch die größte Macht. Der Herrscher von Mokji, eines der 54 Verwaltungsbereiche von Mahan, wurde schließlich auch zum ersten König gewählt, der über alle drei Han-Staaten regierte. Am Unterflussgebiet des Hangang entwickelte sich jedoch mit der Zeit Baekje zu einem immer mächtigeren Stammesstaat, so dass sich im Cheonan-Gebiet zwei rivalisierende Mächte gegenüberstanden. Schließlich wurde Mahan von dem neu gegründeten Königreich Baekje annektiert. Zusammenfassend kann man festhalten, dass während des 3. Jhd. v.Chr. durch den zunehmenden Einfluss der politischen Flüchtlinge aus dem Norden die Eisenkultur nach Jin bzw. Samhan eingeführt wurde. Die aus Eisen gefertigten landwirtschaftlichen Geräte wie Hacken oder Sicheln steigerten die Produktivität im Süden sehr stark. Die Drei Han-Stammesstaaten genossen außerdem im Vergleich zu den nördlichen Gebieten aufgrund des fruchtbaren Bodens und dem milderen Klima mit genügend Regen mehr Vorteile bei der Landwirtschaft.
2.10. Die Gesellschaft und Politik der verbündeten Stammesstaaten
Landwirtschaft und Viehzucht bzw. Jagd stellten in jedem verbündeten Stammesstaat die Grundlage der Nahrungsmittelversorgung dar. Je nach Gebiet unterschieden sich die Nahrungsmittelquellen. Z.B. war in den Stammesstaaten an Küstenregionen wie Okjeo und Dongye der Fischfang sehr wichtig, während die Drei Han-Stammesstaaten im Süden dank des idealen Klimas sich hauptsächlich auf den Reisanbau konzentrieren konnten. Die Landwirtschaft spielte neben dem Nahrungsmittelangebot eine weitere zentrale Rolle, nämlich die gesellschaftliche Einigung der Bewohner, die Bildung einer Dorfgemeinschaft. Der Großteil der Dorfbewohner bekam den Status des freien Menschen, genau genommen waren die meisten davon Bauern. An oberster Stelle stand der Dorfhäuptling und ganz unten die Sklaven. Die Landwirtschaft wurde meist auf sogenannten „Gemeindefeldern“ betrieben, die dem Staat gehörten und somit besteuert wurden. Dieses System diente als Grundlage für die Bildung einer Gemeinschaft. Über den Bauern existierte außerdem die Oberschicht, die im Falle eines Krieges als Kämpfer eingesetzt wurde. Die Bauern durften nicht kämpfen, sie waren lediglich Waffenträger. Sie durften daher auch nicht an der Kriegsbeute teilhaben und somit versuchte man, den Status der Bauern niedrig zu halten. In Buyeo und Goguryeo wurde der Herrscher durch Wahl bestimmt. Die herrschenden Familien, die für das Königtum in Frage kamen, wurden auf wenige Familien beschränkt und abwechselnd ausschließlich aus diesen Familien gewählt. Etwas später beschränkte sich die Thronfolge überhaupt nur mehr auf eine einzige Familie. Das Königtum blieb somit innerhalb einer Familie, einer Dynastie und wurde von Vater zu Sohn weitervererbt. Doch obwohl der König als Oberhaupt galt, lag die eigentliche Macht in den Händen der Familie des Königs, einer bestimmten Gruppe von Aristokraten.
2.11. Die Kultur in der Zeit der verbündeten Stammesstaaten
Auch in der Zeit der verbündeten Stammesstaaten gab es einige Regeln bzw. Gesetze, um die gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Es ist bekannt, dass es in Gojoseon acht Gesetze gab, von denen jedoch heute nur mehr drei bekannt sind: 1. Wer jemanden ermordet, soll hingerichtet werden; 2. Wer jemanden verletzt, soll ihn mit Getreide entschädigen; 3. Wer stiehlt, soll der geschädigten Familie als Sklave dienen. In Buyeo herrschten vier ähnliche Gesetze, die noch etwas strenger waren: 1. Ein Mörder ist hinzurichten, dessen Familie kommt bei den Opfern in Sklaverei; 2. Wer stiehlt, soll es zwölffach entschädigen; 3. Ehebrecherinnen werden hingerichtet; 4. Eifersüchtige Ehefrauen werden ebenfalls hingerichtet. Für Goguryeo, die Samhan, Okjeo und Dongye ist zu vermuten, dass ähnliche Gesetze wie in Gojoseon und Buyeo galten und Körperverletzung, Diebstahl und Ehebruch als die schwersten Sünden betrachtet wurden. Die strengen Strafen für Mord und Körperverletzung beweisen die damalige Anerkennung des Wertes einer Person bzw. den Wert für eine Arbeitskraft. Die Strafen für Diebstahl sind ein Zeichen für die Wertschätzung des Privateigentums und die Bestrafung der Ehefrauen deuten auf das damalige patriarchalische System.
Über die Religion aus der Zeit der verbündeten Stammesstaaten ist festzuhalten, dass jegliche Art der Religion auf den Glauben an den himmlischen Gott begründet war. Wie man z.B. in der Dangun-Mythologie beobachten kann, war der Herrscher des Staates stets von dem Himmel geschickt, um die Erde zu beherrschen. Zeremonien zur Verehrung des Himmels waren sehr wichtig, auch weil sich die Koreaner als Nachkommen des himmlischen Gottes sahen. Außer dem Glauben an den Himmelsgott spielte die Unsterblichkeit der Seele eine bedeutende Rolle in der Religion. In Buyeo wurden bei der Beerdigung eines Herrschers teilweise noch lebende Untertanen zusammen beerdigt, um der Seele des Herrschers weiterhin zu dienen. Die Kunst dieser Zeit war auch eng verbunden mit der Religion, da die Kunststücke oft für religiöse Zeremonien verwendet wurden. Charakteristische Merkmale der Kunstwerke waren Darstellungen von Tieren wie Vögel, Pferde oder Tiger und geradlinige geometrische Muster. Die größte religiöse Feier war das Fest für eine fruchtbare Ernte im Frühjahr und dann das Erntedankfest im Oktober nach dem Mondkalender. Über mehrere Tage hinweg wurde durch Essen, Trinken, Singen und Tanzen gefeiert. Auch für den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft waren solche Feiern enorm wichtig. Für religiöse Angelegenheiten waren entsprechend religiöse Führer da, die sich von den politischen Herrschern unterschieden. Man kann also behaupten, dass Politik und Religion zu der Zeit getrennt waren.
2.12. Die Proto-Drei-Reiche-Zeit
Der Zeitraum zwischen dem endgültigen Untergang von Goseon und der Etablierung der Drei Königreiche (Goguryeo, Baekje, Silla) wird auch die Proto-Drei-Reiche-Zeit (kor. „Wonsamguk sidae“; won = Ursprung, Beginn) genannt. Man deutet damit auf die Zeit, in der die verschiedenen verbündeten Stammesstaaten Buyeo, Goguryeo, Okjeo, Dongye und die Samhan gleichzeitig existierten, hin. Da die Herrschaftszeit dieser Stammesstaaten unterschiedlich lang war, ist es schwer eine genaue Jahreszahl für diese Periode festsetzen, doch ungefähr handelt es sich um den Zeitraum von 108 – 57 v.Chr.
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