Balhae und das Vereinigte Silla – Die Zeit der Zwei Königreiche (698 – 935)
4.1. Die Entstehung von Balhae, dem Nachfolgerreich Goguryeos
Nach dem Sieg Sillas gegen Tang-China wurden die Drei Königreiche im Jahr 676 endgültig vereint. Jedoch war es Silla nicht gelungen, das gesamte Gebiet des ehemaligen Goguryeo zurückzugewinnen. Das Territorialgebiet des Vereinigten Silla-Königreichs beschränkte sich daher südlich des Flusses Daedonggang und der Bucht von Weonsan. Nördlich des Flusses richtete Tang bereits 668 das „Protektorat zur Beruhigung des Ostens“ (Andong duhofu) ein, welches auch das Gebiet Liaodong in der Südwestmandschurei einschloss. In Folge der andauernden Widerstände durch Flüchtlinge des ehemaligen Goguryeos und auch der Silla-Armee sah sich Tang 676 gezwungen, die Hauptstadt des Protektorats von Pyeongyang nach Sinseong (heutige Liaoyang) zu verlegen. Um die Goguryeo-Bevölkerung zu besänftigen, ernannte Tang außerdem Goguryeos letzten König Bojang und seine Nachkommen zu einflussreichen Gouverneuren des Gebiets in Liaodong. Dies war der Anfang des sogenannten „Kleinen Goguryeo-Reichs“ (So-Goguryeo). Tang versuchte hiermit der Goguryeo-Bevölkerung entgegenzukommen, doch in den Gebieten außerhalb des Liaodong-Gebietes schlossen sich die unzufriedenen ehemaligen Flüchtlinge Goguryeos mit den mongolischen Kitan und den tungusischen Malgal zusammen und rebellierten weiter gegen Tang. Unter Li Jinzhong, dem Führer der Kitan, gelang es 696 durch einen großen Aufstand die Kontrolle Tangs im Gebiet Yingzhou (heutige Chaoyang) deutlich einzuschränken. Dae Jungsang, ehemaliger Aristokrat Goguryeos, nahm diesen Erfolg zum Anlass und schloss sich mit dem Führer der Malgalen, Geolsa Biu, zusammen, um von der Tang-Kontrolle zu entkommen und ein eigenes Reich zu gründen. Bei der Schlacht von Cheonmunryeong im Jahr 698 zwischen der Tang-Armee und den Verbündeten von Dae Jungsang und Geolsa Biu kamen die beiden Führer ums Leben. Trotzdem gelang es Dae Joyeong, ein ehemaliger General Goguryeos und Sohn von Dae Jungsang, die Tang-Armee erfolgreich zu bekämpfen. Dae Joyeong gründete 698 zusammen mit verbliebenen des Volkes von Goguryeo und den nomadischen Malgalen entlang des Berges Dongmu in der heutigen Provinz Jilin in China einen neuen Staat, der zuerst Jin hieß und etwas später zu Balhae umbenannt wurde. Die Entstehung Balhaes markierte eine neue Ära in der koreanischen Geschichte, die „Zeit der Zwei Königreiche“ (Nambukguk Sidae). Im Süden bestand das Vereinigte Silla-Reich und im Norden Balhae.
4.2. Die Entwicklung von Balhae
Unter Gründer und ersten König Dae Joyeong (König Go; r. 698-719) erstreckte sich das Gebiet des neuen Reichs über 2000 ri (1 ri ≈ 400 m) von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Unter König Mu (r. 719-737) wurde zusätzlich auch das nördliche Gebiet der Mandschurei erobert. Den Höhepunkt dieser Ära stellte der Seeangriff Balhaes auf die Halbinsel Shandong im Jahr 732 dar, wobei man die Tang-Armee weiter schwächen konnte. Im Lauf der Herrschaft von König Mun (r. 737-793) wurde fast das gesamte Territorium des ehemaligen Goguryeos zurückerobert und zusätzlich beherrschte man die Mandschurei. 755 wurde die Hauptstadt von Junggyeong (heutige Helong, Provinz Jilin) nach Sanggyeong (heutige Ning’an, Provinz Heilongjang) verlegt. 785 wechselte die Hauptstadt erneut nach Donggyeong (heutige Hunchun, Provinz Jilin). Etwa zu der Zeit begann Balhae das eigene Reich als Goryeo zu bezeichnen. Man übernahm dieselbe Idee wie in Silla und glaubte, der König sei die Wiedergeburt von Chakravartin, eine Bezeichnung für den idealen und umfassenden Herrscher aus der indischen Religion. Nach einer längeren Stagnation gelang König Seon (r. 818-830) Balhaes Herrschaftsgebiet noch weiter auszudehnen, so dass es die Größe des alten Goguryeos übertraf. Das Reich umfasste ein Gebiet, das im Norden bis zum Fluss Amur, im Osten bis zur russischen Küste, im Süden bis zur heutigen Provinz Hamgyeong-do und im Westen bis in die südliche Mandschurei reichte. Zu dem Zeitpunkt war Balhae in 5 Hauptstadtregionen, 15 Bezirken und 62 Provinzen unterteilt und man bezeichnete es als „das blühende Land im Osten“ (Haedong Seongguk). Das große Territorium Balhaes war für Silla und Tang eine Bedrohung, so dass bereits 732/733 ein gemeinsamer Angriff der beiden Armeen auf das Balhae-Reich erfolgte. Balhae konnte sich erfolgreich wehren, doch um sich vor weiteren Bedrohungen zu verteidigen, entwickelte man ein Bündnis mit anderen Mächten. Im Norden baute man eine freundschaftliche Beziehung zu dem Reich der Kök-Türken auf, eine Verbindung mehrerer nomadischer Stämme. Im Süden wurde eine enge Verbindung zu Japan hergestellt. Balhae entsandte alleine während der Regentschaft von König Mu und Mun zwölf Boten nach Japan und andersrum kamen neun Missionen nach Balhae. Vor allem König Mun bemühte sich ab Mitte des 8. Jh. um eine Normalisierung der Beziehungen zu Tang und Silla. Vor allem der Austausch mit Tang wurde so weit entwickelt, dass Tang in der Provinz Shandong ein Gebäude namens Balhaegwan errichtete, um die Boten aus Balhae zu empfangen. Balhae gelang es durch regen Kultur- und Warenaustausch seine Macht aufrechtzuerhalten und als unabhängiges Königreich weiterzubestehen.
4.3. Der Untergang von Balhae
Die Bevölkerung Balhaes setzte sich aus zwei verschiedenen ethnischen Gruppen zusammen, den tungusischen Malgalen und den aus dem alten Goguryeo stammenden Koreanern. Dabei stellten die Koreaner die herrschende Eliteschicht dar und die Malgalen die restliche Bevölkerungsschicht. Mit der Zeit kam es zu andauernden Konflikten zwischen den beiden Gruppen, so dass die Harmonie im Reich zerbrach. Erstmals seriös wurden die Konflikte ab Ende des 8. Jh. unter König Seong (r. 793-794), der u.a. die Hauptstadt wieder von Donggyeong nach Sanggyeong zurücklegte. Unter König Seon blühte das Reich zwar erneut auf, doch auch seine Erfolge konnten die inneren Unruhen nicht für längere Zeit besänftigen. Die Instabilität im Reich schwächte Balhae weiter, bis es schließlich von den benachbarten Kitanen erobert wurde, die 916 ein neues Königreich in der Region Liaoxi (heutige östliche Region von Beijing) gegründet hatten. Balhae ging 926 endgültig unter. Nach neueren Studien vermutet man jeodch viel mehr, dass der Vulkanausbruch des Bergs Baekdusan im 10. Jh. ausschlaggebend war für die enorme Schwächung des Reiches. Die Naturkatastrophe beschädigte die Landwirtschaft und auch die gesellschaftliche Ordnung innerhalb des Reiches, wodurch die Kitanen profitierten. Insgesamt existierte Balhae für etwa 230 Jahre und während dieser Zeit herrschten 15 Könige über das Reich. Unmittelbar nach dem Fall im Jahr 926 bemühten sich viele Flüchtlinge aus Balhae um eine Restauration ihres Reiches. In den ehemaligen Territorien Balhaes kam es zu zahlreichen Aufständen, wovon sich schließlich drei als erfolgreich erwiesen. Es kam zur Gründung von drei Königreichen: Hubalhae („Spät-Balhae“), später von dem mächtigen Yeon-Klan übernommen und umbenannt in Königreich Jeong-an, Königreich Heung-yo und Königreich Daewon. Es gelang diesen Königreichen, die Kitanen wieder zurückzudrängen, doch kurz darauf wurden sie von der chinesischen Liao-Dynastie vernichtet. Ehemalige Balhae-Aristokraten flüchteten in den Süden, wo sich nun das selbsternannte Nachfolgereich Goryeo gebildet hatte. Goryeo nahm die Flüchtlinge aus Balhae aufgrund gleicher ethnischer Herkunft herzlich auf. Außerdem sah man sich als berechtigter Erbe der Traditionen und Kulturen des Balhae-Königreichs. Mehrere der Balhae-Flüchtlinge wurden daher auch in die herrschende Eliteschicht mit einbezogen und trugen zur Entwicklung des Goryeo-Reichs bei.
4.4. Balhaes Politik und Wirtschaft
Das politische System übernahm Balhae aus Tang-China. Die zentrale Verwaltung basierte auf drei Abteilungen und sechs Ministerien. Jeongdangseong war für die Gesetzesfassung, -regulierung und –ausführung zuständig, Jungdaeseong war das Organ für die Abfassung der königlichen Anordnungen, die schließlich durch das Seonjoseong verkündigt wurden. Das Jeongdangseong stand von allen drei Abteilungen an oberster Stelle und der Oberhaupt, Daenaesang genannt, fungierte als der Premierminister des Reiches. Unter dem Premierminister standen zwei Vizekanzler bzw. Räte, der linke Kanzler (Jwasajeong) und der linke Rat (Jwayun) bzw. der rechte Kanzler (Usajeong) und der rechte Rat (Uyun). Die sechs Ministerien unter den drei Verwaltungsorganen waren das Ministerium für Personal (Ibu), für Finanzen (Hobu), für staatliche Zeremonien (Yebu), für Militär (Byeongbu), für Justiz (Hyeongbu) und für Bauwesen (Gongbu). Andere Dienststellen der Regierung waren u.a. der Untersuchungsausschuss Jungjeongdae, Institutionen für königliche Angelegenheiten wie das Jeonjungsi und das Jongoksi und noch viele andere. In Balhae herrschte so wie in Tang ein Erbmonarch und die Könige trugen den Titel Gadokbu, Hwangsang oder Daewang. Wie bereits erwähnt, erfolgte die Verwaltungsgliederung in 5 Hauptstadtregionen, 15 Bezirken und 62 Provinzen. Unter den Provinzen gab es die Präfekturen. Die jeweiligen Bezirke hatten einen Gouverneur namens Dodok an oberster Stelle. Bei den Provinzen übernahm ein Jasa diese Funktion und in den Präfekturen ein Seung. Die jeweiligen Oberhäupter waren zuständig für die Führung ihrer Verwaltungszonen, inklusive gesetzliche und militärische Angelegenheiten. Die königliche Familie stammte von Angehörigen des Dae-Klans. Die Aristokratenschicht setzte sich aus direkten Nachkommen der Go, Jang, O, Yang, Du und Yi-Klans des ehemaligen Goguryeos zusammen. Die herrschende Klasse Balhaes bestand somit größtenteils aus Mitgliedern des Goguryeo-Reichs während die Malgalen fast ausschließlich der niedrigeren Schicht angehörten. Trotz der großen Flächen setzte sich der Reisanbau in Balhae nie wirklich durch. Kolbenhirsen, Bohnen und Gerste waren die Hauptagrarerzeugnisse. Daneben bezog man die Nahrung durch Viehzucht und Jagd. Balhae war des Weiteren angesehen für den Export von Pferden, Seide, Ginseng und Porzellan nach Tang und Japan. Vor allem wurde der Handel mit Japan aktiv betrieben.
4.5. Balhaes Kultur
Neben der vorhandenen Goguryeo-Kultur übernahm Balhae so wie im Falle des politischen Systems auch im Kulturbereich vieles aus Tang-China. Das Jujagam war die höchste akademische Einrichtung, in der Konfuzianismus und weitere chinesische klassische Literaturen studiert wurden. Die Beamten wurden vor allem nach ihrem Wissensstand über den Konfuzianismus gewählt und viele junge Aristokraten gingen zu Studienzwecken auch ins Ausland, in erster Linie nach Tang. Dort bestanden viele die offizielle chinesische Beamtendienstprüfung. Gedichte aus den bekannten Grabkammern und Grabsteinen der Prinzessin Jeonghye und Jeonghyo (König Muns Töchter) weisen Zitate aus konfuzianischen Klassikern auf und die sechs Ministerien sind auch nach den Grundwerten des Konfuzianismus benannt. Der konfuzianische Einfluss ist daher in verschiedenen Bereichen deutlich erkennbar. In Hinsicht auf Astronomie, Mathematik und Medizin war Balhaes Kultur äußerst fortgeschritten. Vor allem medizinische Zutaten wie Ginseng, Ochsen-Bezoar oder Moschus wurden sogar ins Ausland exportiert. Den besten Einblick in die damalige Kultur des Reiches geben die Ausgrabungen in der Region der damaligen Hauptstadt Sanggyeong (heutige Stadt Ning’an im Südosten der Provinz Heilongjiang). Die Stadt wurde nach Vorbild von Tangs Hauptstadt Chang’an gebaut und von einer umfangreichen rechteckigen Mauer umschlossen. Die königliche Residenz lag im Zentrum der Stadt und war wiederum extra von einer Mauer umgeben. Zwar steht der Palast nicht mehr, doch andere Funde wie Statuen, Skulpturen, Steinlaternen und Reste des Fußbodenheizsystems (Ondol) konnten ausfindig gemacht werden. Die Kunstwerke strahlen Kräftigkeit und Schönheit, aber gleichzeitig auch Sanftheit aus und weisen Ähnlichkeiten zu der Kultur Goguryeos auf. Überreste von buddhistischen Klöstern wurden ebenfalls ausgegraben und dienen als Nachweis für die Verbreitung des Buddhismus in Balhae. Wie in den anderen koreanischen Reichen bemühte man sich auch in Balhae um die Aufzeichnung der eigenen Geschichte. „Dangi gosa“, verfasst von Dae Yabal, dem jüngeren Bruder von Balhae-Gründer Dea Joyeong, und das historische Werk „Jodaegi“, welches vor allem während der Goryeo-Ära von Flüchtlingen Balhaes geschrieben wurde galten lange Zeit als die zwei wichtigsten Werke. Heutzutage jedoch bezweifelt man die Wahrhaftigkeit der Inhalte, da keine ursprüngliche Kopie überliefert wurde und über die Jahre auch Texte umgeschrieben worden sind. Heute wird das 23-bändige Geschichtswerk „Bohai guozhi changbian“ (Chronologie der Geschichte Balhaes) des chinesischen Wissenschaftlers Jin Yufu aus dem Jahr 1935 als Standardwerk betrachtet.
4.6. Die Entwicklung des Vereinigten Silla-Reichs
Die Vereinigung der Drei Königreiche Goguryeo, Baekje und Silla brachte bedeutende Reformen auf politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Ebene. Die signifikanteste Veränderung während der Zeit des Vereinigten Silla-Reichs war die Schwächung des Konchenrangsystems und gleichzeitig die Stärkung der zentralisierten Bürokratie. Dies war schlussendlich die Konsequenz des massiven Zustroms von Aristokraten aus Goguryeo und Baekje nach der Vereinigung der Reiche. Da die politische Philosophie des Konfuzianismus auf einem zentralisierten System beruhte, verbreitete sich automatisch auch der Konfuzianismus weiter. Die Veränderung der politischen Struktur wurde jedoch bereits vor der Vereinigung Sillas schrittweise vorangetrieben. Unter Königin Jindeok (r. 647-654) wurde 651 ein Verwaltungsorgan für die Durchführung königlicher Erlässe (Jipsabu) errichtet. Dieses Organ war direkt dem König unterstellt und konnte somit für die Schwächung der herrschenden Aristokraten bzw. der Stärkung des Königs sorgen. Dadurch gewann der Thron immer mehr an Macht und die hochrangigen Aristokraten des Seonggol verloren immer mehr an Einfluss. Da Königin Jindeok keinen Nachkommen hatte kam es zu einem Kampf um die Thronfolge, wobei letztlich König Muyeol (r. 654-661) den Thron bestieg. Er war der erste König aus dem Jingol-Rang und dies war entscheidend für die weitere Schwächung des Knochenrangsystems. Unter König Muyeol etablierte sich u.a. die Erbmonarchie, wodurch die politische Lage stabilisiert wurde. König Munmu (r. 661-681) war Nachfolger von König Muyeol. Unter ihm wurde der Vereinigungsprozess der Drei Königreiche vollendet und somit war er der erste Herrscher des Vereinigten Sillas. Es folgte König Sinmun (r. 681-692), der für die weitere Festigung der Königsmacht sorgte, indem er die führende Aristokratenschicht auswechselte. Außerdem schuf er im Jahr 682 eine Bildungseinrichtung namens Gukhak, die für die Ausbreitung der konfuzianischen Lehre gedacht war. 685 reformierte er die Lokalverwaltung durch die Aufteilung des Landes in neun Provinzen und fünf Hauptstädte. Jeweils drei Provinzen wurden im ehemaligen Gebiet von Goguryeo und Baekje errichtet. Mehrere Aristokraten aus der Hauptstadt Gyeongju übersiedelten in die neu geschaffenen Hauptstädte und somit entwickelten sich diese Orte mit der Zeit zu wichtigen Zentren für Militär, Wirtschaft, Politik und Kultur. Während der Zeit des Vereinigten Sillas wurden des Weiteren 117 Landkreise (Gun) und 293 Präfekturen (Hyeon) errichtet. Diese wurden von Beamten verwaltet, die von der Zentralregierung entsandt wurden. Unter den Kreisen und Präfekturen gab es noch die Dörfer (Chon) und an unterster Stelle die extra für die Unterschicht eingerichtete Verwaltungseinheit Yang und Bugok. Für das Militär schuf König Sinmun neun Divisionen (Seodang), die in der Hauptstadt stationiert waren und 10 Garnisonen (Jeong) auf dem Land. Die ehemaligen Militäreinheiten, die den Aristokraten aus dem Jingol unterstellt waren, wurden abgeschafft und der Oberbefehlshaber der Truppen war der König. König Sinmun führte auch mehrere ökonomische Reformen durch. 689 hob er das Nogeup-System auf, welches den Aristokraten erlaubte, Bauern zu Dienstleistungen zu verpflichten und gleichzeitig von ihnen Getreidesteuern einzunehmen. Stattdessen bekamen Regierungsbeamte ein Einkommen von bestimmten Landwirtschaftsflächen, doch die Nutzer konnten dafür die Fläche frei nutzen (Gwallyojeon). Die Stärkung des königlichen Einflusses setzte sich auch unter König Seongdeok (r. 702-737) fort. Während dieser Periode versuchte man vor allem den Konfuzianismus verstärkt zu verbreiten. Unter König Gyeongdeok (r. 742-765) wurde das Gukhak zu Taehakgam umbenannt und das Lehrprogramm überarbeitet, doch der Schwerpunkt lag weiterhin auf dem Konfuzianismus. Während dieser Zeit kam jedoch auch Unzufriedenheit von den Aristokraten auf, so dass als Reaktion darauf u.a. anstelle des Gwallyojeon das Nogeup-System wiedereingeführt wurde oder der gigantische Tempel Bulguksa unter staatlicher Förderung errichtet wurde. Eine große Reform in Bezug auf das Einstellungssystem von Regierungsmitarbeitern wurde unter der Herrschaft von König Wonseong (r. 785-798) eingeführt. 788 wurde die erste Staatsdienstprüfung namens Dokseo sampumgwa durchgeführt. Dabei prüfte man hauptsächlich das konfuzianische Wissen der Person. Somit konnte man weiter für die Verbreitung des Konfuzianismus sorgen und die Auswahl der Beamten erfolgte auch nicht mehr nur nach dem Knochenrang. Man kann deutlich erkennen, wie seit der Vereinigung Sillas vor allem über die Jahre der Konfuzianismus und das chinesische Schema eines zentralisierten Beamtenstaats angenommen wurden. Davon abgesehen spielten jedoch auch die traditionelle Aristokratie nach dem Knochenrangsystem und der Buddhismus weiterhin eine einflussreiche Rolle im Vereinigten Silla-Reich.
4.7. Das Leben der Aristokraten im Vereinigten Silla
Die Aristokraten Sillas genossen zahlreiche wirtschaftliche Privilegien. Z.B. gestattete der Staat denjenigen, die sich bei Kämpfen auszeichneten, Kontrolle über gewisse Gebiete zu übernehmen. Diese Gebiete wurden Sigeup genannt und brachten den Aristokraten wichtige Einnahmen. Die Aristokraten erhielten neben dem Land auch zuständige Arbeitskräfte zur Bewirtschaftung ihres Landes. Dazu waren sie in der Regel zusätzlich berechtigt, für ihr zugeteiltes Land Steuern zu erheben. Dieses sogenannte Nogeup-System wurde im Rahmen der politischen Umstrukturierung geändert. Nachdem 687 zunächst ein Teil des Systems umgeändert wurde und man nur mehr die Getreidesteuern einnehmen konnte, schuf man 689 schließlich das komplette System ab. Somit verhinderte man, dass Beamten eine größere Gruppe von Arbeitern mobilisierte. Eine weitere Landreform wurde 722 in Gang gesetzt, als unter König Seongdeok das Jeongjeon-System eingeführt wurde. Nach diesem System erhielten alle Männer, die das Alter der Wehrpflicht erreicht hatten, vom Staat ein Grundstück. Als Gegenleistung zur Befreiung vom Militärdienst mussten sie Abgaben leisten. Somit konnten die Bauern ihr eigenes Grundstück besitzen, da diese nicht als Soldaten dienen durften. Sowohl das Gwallyojeon- als auch das Jeongjeon-System konnten sich aufgrund massiver Proteste der Aristokratenschicht nicht lange durchsetzen, doch sie bildeten trotzdem die Grundlage für das Bodenrecht im späteren Goryeo und Joseon. Der Einfluss der Aristokratenschicht blieb letztendlich trotz der anfänglichen Bemühungen zur Einschränkung ihrer Macht durch die Könige stark. Die meisten Aristokraten ließen sich in der Hauptstadt Gyeongju nieder und genossen ein luxuriöses Leben. Laut dem Samguk Yusa lebten im 9. Jh. ca. 180.000 Menschen in Gyeongju. Es war kein einziges Haus mit Strohdach zu sehen und aus den Straßen hörte man bei Tag und Nacht Musik. Die Minister erhielten regelmäßige Sondervermögen vom Staat und hatten um die 3000 Arbeiter um sich. Außerdem besaßen sie zahlreiche Waffen und Tiere. Nicht nur die Aristokraten sondern auch die Königsfamilie genoss einen ähnlichen extravaganten Lebensstil.
4.8. Das Leben des gewöhnlichen Volks im Vereinigten Silla
Die Bauern lebten im Vereinigten Silla in Verwaltungseinheiten, die Chon genannt wurden und etwa zehn Haushälter umfasste. Für jeweils drei bis vier Chons gab es dann ein Oberhaupt namens Chonju. Die Zentralregierung besaß für die lokalen Gebiete Dokumente mit genauen Angaben zu den Anzahlen der Haushälter, der Größe der Ackerfläche und vieles mehr. Diese Dokumente wurden vermutlich zur Berechnung der Steuermenge benutzt. Die Haushälter wurden in neun Klassen unterteilt, abhängend von der Anzahl der Männer, die in der Lage waren, entweder Militär- oder Frondienste zu leisten. Überhaupt wurde die Bevölkerung in sechs Altersklassen unterteilt, um ihnen altersgemäß Dienstpflichten zuzuweisen. Sowohl der Oberhaupt der Dörfer als auch die Dorfbewohner erhielten von dem Staat Grundstücke. Neben den obengenannten Gwallyojeon und Jeongjeon, die vor allem während der Zeit von König Seongdeok verbreitet waren, gab es weitere Formen von Grundstücken wie Gwanmodap, Naesiryeongdap und Majeon, die von Bauern bebaut wurden und als zusätzliche Einnahmen für den Staat galten. Während die meisten Menschen in Chons lebten, gab es weitere Verwaltungseinheiten, Hyang und Bugok genannt. Diese Gebiete waren noch kleiner und waren bewohnt von ehemaligen Bewohnern von eroberten Gebieten oder auch von Staatsverrätern. Anders als die gewöhnlichen Bauern betrieben diese Leute neben der Landwirtschaft auch Handarbeiten, Viehzucht und Fischfang. Die Belastung dieser Schicht war auch größer, so dass mehr gearbeitet werden musste um die Steuern bezahlen zu können. Diese Leute gehörten zwar einer niedrigen Gesellschaftsschicht an, unterschieden sich jedoch von den Nobi (leibeigene Diener) in der Hinsicht, dass sie nicht gekauft oder verkauft werden konnten. Ihr Status lag also etwa zwischen dem eines gewöhnlichen Bürgers und eines Nobi. Die Nobi stellten die niedrigste Volksschicht dar. Sie galten als Privateigentum des königlichen Hofs, der Regierung, der Aristokraten und sogar der Klöster. Sie erledigten allerlei Aufgaben wie Kochen, Kleidung herstellen, Ackerbau und vieles mehr. Sie wurden lediglich als Eigentum der höheren Schichten betrachtet und eigene Besitztümer waren ihnen nicht gestattet.
4.9. Wirtschaft und Außenhandel im Vereinigten Silla
Die Periode unmittelbar nach der Vereinigung war durch einen relativen Frieden gekennzeichnet. Da man sich nicht mit den ausländischen Mächten auseinandersetzten musste, konnte man sich auf die Entwicklung im eigenen Land konzentrieren. Vor allem wurden Fortschritte im Bereich der Landwirtschaft und Industrie vorangetrieben. Das größte Bewässerungsprojekt in Korea wurde im Honam-Gebiet durchgeführt. 330 wurde hier erstmals ein Wasserspeicher (Byeokgolje) errichtet. Dieser wurde im späten 8. Jh. massiv ausgebaut, so dass für die die sieben umgebenden Landkreise eine dauerhafte Wasserversorgung ermöglicht werden konnte. Der Ausbau des Byeokgolje ist nur ein Beispiel für die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion dieser Ära. Des Weiteren gründete die Regierung ein Amt namens Gongjangbu zur Überwachung der Produktion von Kunsthandwerken. Die wichtigsten Produktionen dieser Zeit waren Seide, Schmuck für die Königsfamilie, verschiedene Waffen, buddhistische Statuetten, Glocken und Porzellan. Die Steigerung der Produktivität im Bereich der Lebensmittel und Kunsthandwerke führte zu einer Belebung der Märkte in der Hauptstadt Gyeongju. Bis zum Ende des 7. Jh. wurden neben dem bereits bestehenden Ost-Markt zusätzlich der West- und Süd-Markt neu gegründet. Außerdem gründete man in der Regierung eine neue Sektion zur Überwachung dieser Märkte. Immer mehr Märkte entstanden auch in den kleineren Städten bzw. am Land. Sillas Handelspartner waren nicht nur Balhae, Tang und Japan, sondern auch das weit entfernte Arabien. Hauptsächlich exportierte man Seide, Hanfkleidung, Gold, Silber, Ginseng, medizinische Kräuter und Kunsthandwerke. Dagegen importierte man vor allem Bücher und Luxusgüter aus dem Ausland. Der Handelsverkehr mit Tang war am intensivsten, so dass auf der Shandong-Halbinsel und am Becken vom Fluss Jangtzekiang jeweils Handelsaußenposten namens Sillabang errichtet wurden. In diesen Gegenden wurden daneben auch buddhistische Tempel (Sillawon) und Regierungsämter zur Überwachung der Silla-Bürger in der Region (Sillaso) gegründet. Als Anstoß zu einem weiteren aktiven Handel baute Silla im 9. Jh. auf der Insel Wando in der heutigen Provinz Jeolla Nam-do eine weitere Handelsstelle namens Cheonghaejin auf. Dieser Ort wurde als Zwischenhandelsstelle für Japan und Tang genutzt. Während Tang hier seine Produkte an japanische Händler verkaufte, nutzte Japan des Weiteren die Schiffe zur Verfügung gestellt in Cheonghaejin um weiter nach China zu reisen. Der Gouverneur von Cheonghaejin hieß Jang Bogo (?-846) und er galt als der erste internationale Händler Koreas. Er war international bekannt als der „Prinzen von See“.
4.10. Die Kultur im Vereinigten Silla (1): Der Buddhismus
Die meist verbreitete Religion im Vereinigten Silla war der Buddhismus. Der Buddhismus war eine Religion und gleichzeitig auch eine Philosophie, die alle Bereiche der Gesellschaft Sillas von dem König bis hin zu der niedrigsten Bürgerschicht beherrschte. Während der Buddhismus vor der Vereinigung als politisches Instrument zur Untermauerung der Macht des Königs als Wiedergeburt von Buddha genutzt wurde, stand nach der Vereinigung viel mehr der starke akademische und philosophische Einfluss auf die gesamte Gesellschaft im Vordergrund. Sillas Buddhismus konnte sich vor allem dank der zahlreichen Mönche weit entwickeln, die nach Tang-China, Indien und Zentralasien reisten, um die fortgeschrittenen buddhistischen Theorien zu studieren. Im Vereinigten Silla verbreiteten sich vor allem die drei Lehren Hwaeom, Haedong und Beopsang. Hwaeomjong (Hwaeom-Lehre) wurde von dem Mönch Uisang (625-702) gegründet und fand vor allem unter den Aristokraten mehrere Anhänger. Mit dem Grundgedanken „Eins das Ganze und das Ganze eins“ (ilche bulli; alle Dinge auf Erden sind miteinander verbunden und damit untrennbar) trug die Lehre in der Anfangsphase der Vereinigung dazu bei, das Gemeinschaftsbewusstsein unter den Leuten zu stärken und gesellschaftliche Harmonie und Ordnung zu fördern. Mönch Weonhyo gründete die Haedongjong (Haedong-Lehre) und verbreitete daraus den Glauben an das Reine Land (Jeongto Sinang). Diese neue Philosophie war eine Mischung aus mehreren verschiedenen buddhistischen Sekten, um den Buddhismus einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Weonhyos Lehre fand dank seiner Bemühungen zahlreiche Anhänger in der Bevölkerung. Er zog von einem Dorf zum anderen und erklärte den Menschen, dass man lediglich durch den Glauben an Amitabha in das Reine Land käme. Dies gab der armen Landbevölkerung in ihrer verzweifelten Lage mehr Hoffnung. Der Glaube an den zukünftigen Buddha Mireuk (Beopsangjong) wurde durch den Mönchen Jinpyo eingeführt und fand vor allem in dem ehemaligen Gebieten von Baekje und Goguryeo Anklang. Der Glaube beruhte darauf, dass Mireuk Buddha eines Tages auf die Erde kommen und die ideale Welt schaffen würde. Der Grund für die Verbreitung war die Unzufriedenheit des Volkes, das von der Oberschicht stets unterdrückt wurde und die Rettung durch Mireuk Buddha erwartete. Die Blütezeit des Buddhismus während der Ära des Vereinigten Silla-Reichs führte zur Entwicklung von zahlreichen buddhistischen Sekten. Die fünf wichtigsten Sekte waren die Nirvana Schule (Yeolban), die Vinaya Schule (Gyeyul), die Tathata Schule (Beopseong), die Huayan Schule (Hwaeom) und die Dharmalaksana Schule (Beopsang). Die verschiedenen buddhistischen Lehren bestanden vor allem aus zwei Zweigen: Einerseits dem Kanon-Buddhismus, zu dem hauptsächlich die Hwaeom-Lehre zählte, andererseits dem Seon-Buddhismus (Zen-Buddhismus), zu dem der Glaube an Mireuk sowie an das Reine Land gehörten. Der Seon-Buddhismus, welcher in China von Dharma gegründet wurde, war bereits vor der Vereinigung von Silla nach Korea gelangt. Er war vor allem bei der lokalen Eliteschicht verbreitet und die Tempelanlagen der Seon-buddhistischen Sekte waren auch eher entfernt von der Hauptstadt Gyeongju errichtet. Nach dessen Lehre war es möglich, allein durch Schulung des Geistes und nicht durch das Studium der buddhistischen Texte eine Erleuchtung zu erfahren. Das individualistische Element des Seon-Buddhismus war außerdem entscheidend für die Beliebtheit bei dem Landadel, der sich eine gewisse Unabhängigkeit von der zentralen Regierung wünschte.
4.11. Die Kultur im Vereinigten Silla (2): Die Geomantik
Ein Großteil des Landadels interessierte sich auch immer mehr für die Geomantik (oder Feng Shui), die sehr eng mit der Topografie des Landes verbunden war. Der taoistische Mönch Doseon (827-898) reiste durch das ganze koreanische Reich und entwickelte dabei die koreanische Geomantik. Die Idee basierte auf dem Konzept des Ying & Yangs bzw. der fünf Elemente (Wasser, Feuer, Holz, Metall, Erde), die gemeinsam als entscheidend für die Lebenskraft Qi (kor. Gi) galten. Man glaubte, das Glück und Pech eines Menschen durch die Geomantik beeinflussen zu können und suchte nach dessen Regeln Bauplätze für Wohnorte, Grabstätte oder auch Tempel aus. Doseon prophezeite auch, dass in Zukunft Gyeongju nicht mehr die Hauptstadt sein würde, da andere Orte wie Gaeseong, Pyeongyang oder Hanyang (heutige Seoul) viel besser dafür geeignet wären. Die Geomantik übte während der Goryeo- und Joseon-Ära immer mehr Einfluss aus und spielte eine große Rolle bei wichtigen Entscheidungen. Die Lehre Doseons passte gut zu der koreanischen Landmasse und trug zur Entwicklung der Städte und Dörfer bei. Andererseits jedoch wurden die Geomantik teils auch zu politischen Zwecken missbraucht.
4.12. Die Kultur im Vereinigten Silla (3): Der Konfuzianismus
Obwohl der Buddhismus als Religion bzw. Philosophie im Vereinigten Silla dominant war, passte er mit dem politischen System eines zentralisierten Beamtenstaats nicht ganz reibungslos zusammen. Durch den offenen Kontakt zu Tang kam man sehr viel mit dem Konfuzianismus in Berührung. Außerdem konnte Silla nach der Vereinigung auch die konfuzianische Kultur der beiden ehemaligen Königreiche Goguryeo und Baekje, die bereits wesentlich früher als Silla den Konfuzianismus aus China übernahmen, schnell annehmen. Konfuzianische Werte wie Loyalität oder Pietät gegenüber Eltern stimmte mit Sillas langjähriger Hwarang-Mentälität überein. Der Konfuzianismus eignete sich also zur Stärkung der königlichen Macht bzw. dem Aufbau treuer Bürger. Diese Faktoren beschleunigten die Verbreitung des Konfuzianismus im Vereinigten Silla. König Sinmun gründete 682 eine staatliche Akademie namens Gukhak, die zur konfuzianischen Ausbildung der Aristokratenschicht gedacht war. Unter König Gyeongdeok wurde das Gukhak zu Daehakgam umbenannt. König Weonseong führte 788 eine weitere Sonderfakultät ein, um sich auf eine staatliche Prüfung namens Dokseo sampumgwa vorzubereiten, wo vor allem die Lesefähigkeit chinesischer Texte gefragt war. Diese Prüfung diente zur Aufnahme von Leuten für wichtige Beamtenstellen. Da jedoch das auf Blutsverwandtschaft beruhende Golpum-System weiterhin eine große Bedeutung bei der Belegung von Beamtenposten spielte, konnte das Dokseo sampumgwa nicht wirklich effektiv durchgesetzt werden. Nichtsdestotrotz gab es hoch angesehene Absolventen der Gukhak bzw. Daehakgam. Dies war z.B. Gang Su, der durch seine exzellenten Kenntnisse für klassisches Chinesisch sehr elegante Briefe schreiben konnte. Unter der Regentschaft von König Muyeol und Munmu trug er mit den kunstvollen diplomatischen Briefen erheblich dazu bei, gute Beziehungen zu Tang aufzubauen. Seol Chong, der Sohn von Mönch Weonhyo, war ein weiterer Absolvent der Gukhak und entwickelte das Transkriptionssystem Idu, womit er erfolgreich zahlreiche klassische chinesische Literatur für Koreaner lesbar machte. Neben dem Gukhak gab es in Silla natürlich auch mehrere andere Lehrinstitute, die im Bereich der Wissenschaften und Technologie für eine große Entwicklung beitrugen. Dazu gehörten u.a. Astronomie, Mathematik, Medizin und Rechtswesen.
4.13. Die Kultur im Vereinigten Silla (4): Architektur, Skulpturen und Kunsthandwerke
Der Großteil der Kulturprodukte aus Silla wie Tempel, Pagoden, Glocken, Statuen oder Steinlaternen sind eng mit dem Buddhismus verbunden. Jedenfalls lassen sich in dieser buddhistischen Kunst Sillas charakteristische Merkmale finden, die sich von anderen Reichen unterscheidet. Der Bau der Felsgrotte Seokguram und des Klosters Bulguksa in Gyeongju unter König Gyeongdeok im Jahr 751 sind die wohlbekanntesten Beispiele der Silla-Kunst. Im Mittelpunkt der Grotte Seokguram ragt die Statue eines sitzenden Buddhas. Die Decke der Grotte ist mit Gravierungen und Skulpturen geschmückt, die sowohl die Erde als auch den Himmel darstellen sollen. Der Bulguksa ist eines der größten Klöster mit ursprünglich über 2000 Räumen. Leider wurde das Holzgebäude im 16. Jh. bei der Hideyoshi-Invasion (1592-1599) zerstört. Die Holzstruktur wurde nach der Befreiung 1945 rekonstruiert. Die zwei Steinpagoden Seokgatap und Dabotap, die sich im Empfangshof des Bulguksa befinden, zählen zusammen mit der dreistöckigen Steinpagode im Tempel Gameunsa und der Vier-Löwen-Pagode im Tempel Hwaeomsa zu den repräsentativsten Pagoden dieser Ära. Ebenfalls zu den wichtigen Kunststücken Sillas gehören die Glocken. Besonders die Seongdeok Daewang Sinjong des Tempels Sangwonsa (heute im Gyeungju Nationalmuseum) ist sowohl für ihren einzigartigen schönen Klang, als auch für die abgebildeten Verzierungen von Buddhafiguren und Lotusblüten berühmt. Die Gräber aus der Silla-Zeit gelten ebenfalls als wichtige Quellen, die Einblick in die Kunstwelt verschaffen. Die Gräber vor der Vereinigung waren gekennzeichnet durch Holzkammern und Steinhügel mit wenig Dekoration, doch durch den Einfluss von Goguryeo und Baekje verbreiteten sich auch in Silla Grabkammern aus Stein mit eingravierten Skulpturen der zwölf Tierkreiszeichen. Namenshafte Beispiele hierfür sind die Gräber von Kim Yusin oder das Königsgrab Gwaerung in Gyeongju. Zu guter Letzt sollte auch der aus Holz und Seide gefertigte Manbulsan (Der Berg der zehntausend Buddhas) erwähnt werden, der laut dem Samguk Yusa an den Kaiser Tangs gewidmet war. Es handelt sich hierbei um einen zwei Meter hohen handgefertigten Berg mit Flüssen, zahlreichen Pflanzen und Tieren und vielen Buddhas. Leider ist dieses Meisterwerk jedoch nicht erhalten geblieben.
4.14. Die Kultur im Vereinigten Silla (5): Literatur, Malerei und Kalligraphie
Wie viele andere Kunstbereiche war auch die Literatur stark vom Buddhismus beeinflusst. Der literarische Stil namens Hyangga (Heimatlieder) etablierte sich bereits vor der Vereinigung der Drei Königreiche in Silla, doch erst nach der Vereinigung und vor allem mit dem Aufblühen des Buddhismus wurde die Literatur immer populärer. Während sich die chinesische Literatur mehr unter der Aristokratenschicht verbreitete, setzten sich die Hyangga bei dem einfachen Volk durch. 888 entstand unter Königin Jinseong die Hyangga-Sammlung „Samdaemok“, die vom damaligen Minister und Gelehrten Wihon und dem Mönch Daegu zusammengestellt wurde. Diese Sammlung ist zwar heute nicht mehr erhalten, doch 14 Hyangga-Stücke davon sind im Samguk Yusa enthalten. Unter den Hyangga-Verfassern waren vor allem die zwei Mönche Weolmyeong und Chungdam bekannt. Zu den Hauptwerken zählen u.a. „Dosolga“ (Lied vom Paradies im Himmel von Dosol), „Jemanmaega“ (Lied für die verstorbene jüngere Schwester) und „Anminga“ (Lied des Friedens für das Volk). Unter dem gemeinen Volk waren daneben auch mündlich überlieferte Erzählungen beliebt. Die Hauptthemen solcher Geschichten war stets Loyalität und Pietät gegenüber den Eltern. Bezüglich Malerei gibt es keinerlei überlieferte Stücke aus der Ära des Vereinigten Sillas. Lediglich im Samguk Sagi tauchen Malernamen wie Solgeo, Jeoghwa oder Honngye auf, die in erster Linie für Malereien in Tempelanlagen zuständig waren. Durch die intensive Auseinandersetzung mit klassischem Chinesisch verbreitete sich in Silla auch die Kalligraphie. Bekannte Kalligraphen waren z.B. Kim Saeng, Kim Inmun und Yo Geugil. Die fortgeschrittene Kunst Sillas war auch im Ausland, vor allem in Tang, hoch anerkannt.
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